Freitag, 11. November 2011

Harte Arbeit für edle Leckerbissen. Muscheln sammeln in Galicien.

Mit speziellen Harken wird der nasse Sand umgegraben, in dem sich die Herzmuscheln vergraben. Was einfach aussieht, ist körperliche Schwerstarbeit und verlangt eine spezielle Technik und viel Übung.

Bis zur Hüfte stehen die Mariscadoras, die Herzmuschelsammlerinnen, bei ihrer Arbeit im Wasser. Die Gummireifen tragen die Körbe mit den Muscheln. Bis zu 25 Kilo sammelt jede Mariscadora in zwei Stunden während der Ebbe.

Der Traktor bringt die vollen Körbe zur Auktionshalle. Jeden Nachmittag um 17 Uhr werden die Muscheln nach dem holländischen Prinzip versteigert: Es wird nach unten geboten. An guten Tagen kostet ein Kilo Herzmuscheln 20 Euro.

Die Muscheln aus Galicien sind bekannt für ihre exzellente Qualität. Serviert bekommt ihr sie in den Gourmet-Restaurants von Madrid und Barcelona.

Sonntag, 6. November 2011

Herbst

Kormorane an der Praia de Testal

Die Kormorane sind zurück. Es ist Herbst. Von Oktober bis März nächtigen die gewaltigen, schwarzen Vögel zu hunderten in einem Eukalyptusbaum unten am Strand, an der Praia de Testal. Morgens früh, sobald die Sonne aufgeht, kommt in den Ästen Bewegung auf und die Kormorane verlassen einer nach dem anderen ihr Schlafquartier. Hinaus Richtung Meer fliegen sie, alle in dieselbe Richtung. Und jeden Abend kehren sie aus derselben Richtung zurück. Manchmal taucht ein Kormoran noch am Abend in der kleinen Lagune nach Fischen. Mit breit aufgespannten Flügeln sitzt er anschließend zwischen den anderen Vögeln auf einem der Äste oben im Baum. Bis 149cm reicht die Flügelspannweite der Kormorane.
Unser Nachbar schiebt eine Schubkarre mit einem gigantischen Kürbis den Berg hinauf. Er sei für das Schwein, erklärt er mir. Unsere Nachbarn halten jedes Jahr ein Schwein. Sie mästen es ein ganzes Jahr lang, bis es im Januar geschlachtet wird. Im Januar werden in ganz Galicien Schweine geschlachtet.
Es ist Esskastanienzeit. Wir sollen uns Esskastanien vom Nachbargrundstück holen, ruft uns eine Nachbarin zu. "Son muy buenas." "Sie sind sehr gut."
Die ersten Blätter der Esskastanien und Eichen verfärben sich. Der Rest des Waldes bleibt jedoch grün, im Herbst so wie im Winter. Denn Galiciens Küstenwälder bestehen größtenteils aus immergrünen Eukalyptusbäumen, Kiefern und Zypressen. Unser Wollmispelbaum bekommt gerade Blüten, während am Feigenbaum die letzten Früchte hängen. Vereinzelte reife Orangen und Zitronen leuchten zwischen sattgrünen Blättern. Zur selben Zeit wachsen neue Orangen und Zitronen fast unmerklich zwischen dem Blattgrün heran. In den Vorgärten der Nachbarschaft blühen die ersten, schneeweißen Callas und karminroten Camelien.

 Callas im Nachbarsgarten

Freitag, 11. März 2011

Galicische Lebensqualität

Ausblick von unserem Hausberg

Zeit, ein Tagebuch zu führen habe ich eigentlich nicht. Aber es ist doch jeder Tag wenigstens ein paar Zeilen wert. Das denke ich jeden Tag, den ich hier zu Hause in Noia verbringe, in Galicien, am Ende der Welt, am Rande Spaniens, am Rande der Zivilisation mit ihrem Stress und ihrer Hektik. In Galicien schätze ich jeden einzelnen Tag, denn hier habe ich die Ruhe dafür. Ich bin umgeben von Vogelgezwitscher, von Zitronen- und Orangenbäumen, vom Meer und von traumhaften Naturstränden, von immergrünen Eukalyptus- und Kiefernwäldern, von riesigen, wilden Blumen und Ginsterbewachsenen Berghängen, auf denen ausgewilderte Pferde und frei herumlaufende Ziegen und Schafe leben. Ich bin umgeben von der Ruhe, Gelassenheit und Freundlichkeit der Galicier, die ein Leben mit wenig Luxus gewöhnt sind, die harte Arbeit auf dem Land und auf dem Meer gewöhnt sind, die von Obst und Gemüse aus eigenem Anbau leben und deren wertvollstes Gut ihre Finca ist, das Grundstück ihrer Familie. Ich bin umgeben von Menschen, denen Menschlichkeit und Anstand wichtiger sind als Wissen, Konsum oder Macht. Als "krank" bezeichnet unser Nachbar eine reiche Familie aus Noia, die mehrere Geschäfte besitzt und die vor lauter Habgier mit ihren Dauerniedrigpreisen den anderen Ladenbesitzern im Dorf das Leben schwer macht. Menschlichkeit und Moral sind wichtig und Anstand gegenüber den Mitmenschen.
Und gutes Essen ist wichtig. Gutes Essen ist immer hausgemacht aus frischen Produkten aus der unmittelbaren Umgebung. An der Küste sind das natürlich Fisch und Meeresfrüchte, außerdem Saisongemüse. Aber die Galicier haben auch eine eigene Rinder- und eine eigene Schweinerasse, die in ganz Spanien für ihr gutes Fleisch bekannt sind. Das galicische Kalb trinkt nur Muttermilch, wird mit der besten Nahrung gefüttert und bereits mit acht bis zehn Monaten geschlachtet. Zart muss das Fleisch sein. Auch frisches Landbrot, hausgemachter Käse, Honig, Quittengelee, Wein und Schnaps gehören zum guten Essen in Galicien. Die Qualität muss stimmen und frisch vom Land schmeckt es einfach tausendmal besser als aus der Ferne importiert. Das Essen schmeckt echt und wird kaum gewürzt. Nur ein wenig Salz, etwas Olivenöl und Paprikagewürz sind fast immer die einzigen Zutaten zu Fleisch, Meeresfrüchten oder Gemüse; und ab und zu auch Knoblauch. Nichts weiter. Einfach köstlich. In Galicien ist Essen Kultur.
Und Feste. Auch Feste sind Kultur in Galicien. Dorffeste die jeden Abend gegen 23 Uhr mit einem Feuerwerk beginnen, dann weitermachen mit ohrenbetäubender Livemusik, die bis morgens um 5 Uhr kilometerweit zu hören ist. Dorffeste die fünf Tage lang andauern. Dorffeste zu Ehren von Heiligen und ihrer Kirchen oder zu Ehren von Käse, Grelos (Rübstiel), Caldo gallego (galicische Kohlsuppe), Filloas (galicische Pfannekuchen), Pulpo (Tintenfisch) oder Wein. Auch Wein gehört zum guten Essen der Galicier dazu. Und guter, starker Kaffee, der wie Espresso gekocht wird. Es ist großartig, sich schon zum Mittagessen mit gutem Wein zu verwöhnen. Anschließend ein starker Kaffee und man fühlt sich genauso wach wie vor dem Essen. Das nenne ich Lebensqualität.

 Schlemmen im Grillrestaurant A Marina, Noia